UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK GRAZ
civic Graz Österreich BIG
“Ich habe mir das Paradies immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.”
Jorge Luis Borges, Die letzte Reise des Odysseus
Unser Entwurf nutzt die Chance zur Neuordnung. Das ursprüngliche Volumen des Hauptlesesaals mit den seitlich angeschlossenen Magazinen wird freigelegt und erlebbar gemacht.
Bestand bleibt bestehen. Nicht als Ehrfurcht oder Bedingung, sondern als begriffene Qualität des Gebäudes. Die Flanken des Bibliothekensembles werden neu besetzt. Kostengünstige Neubauten geben dem Herzen der Bibliothek einen neuen Rahmen. Das Atrium ist Verbindungsstück, funktionell und visuell, zwischen Bestand und Neubau. Mit diesem System nutzen wir die Möglichkeit der Anpassung an aktuelle und zukünftige Szenarien. Bauen im Bestand, mit Bestand.
Städtebauliche Aspekte / Architektonische Aspekte
Der Diskurs über die funktionale Gesamtbetrachtung des Bibliothekensembles als Einheit dreht sich um den dialektischen Gegensatz zwischen Distanz und Nähe der Erweiterungsbauten zum historischen Bibliotheksbau. Die Distanz, welche die neuen Baukörper, ebenso wie der Domenig/Eisenköck Erweiterungsbau zur alten Bibliothek herstellen, manifestiert den nötigen Respekt gegenüber der schützenswerten Bausubstanz, die durch die Freistellung wieder sichtbar gemacht wird. In funktionaler Hinsicht bringt diese Respektmaßnahme eine Vergrößerung der belichteten Nutzflächen mit sich.
Gleichzeitig bedingt die Schaffung eines Ensembles die räumliche Nähe der sich zum Ensemble ergänzenden Elemente. Der Zwischenraum zwischen dem historischen Bibliotheksbau und den Erweiterungsbauten manifestiert diese räumliche Nähe in Form von transparenten Baukörpern, die Alt und Neu miteinander verweben – konkret ein mit Glas überdachtes umlaufendes Bibliotheksatrium welches, als Wandelgang ausgebildet, alle erdgeschossigen Bibliotheksbereiche niveaugleich miteinander verbindet, sowie Brückenschläge in Form von Verbindungsstegen in den Obergeschossen welche die Erweiterungsbauten untereinander verbinden und mit dem historischen Baukörper vernetzen.
Um die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Baukörpern zu verbessern sind die Niveaus der neuen Baukörper an jene des Domenig/Einseköck Erweiterungsbaus angeglichen und somit alle Lesebereiche und Büroräumlichkeiten geschoßweise miteinander verbunden. Überall gibt es Sichtbeziehungen.
Die Flanken.
Zwei neue Baukörper ersetzen das Verwaltungsgebäude aus den 1970er Jahren im Nordwesten sowie den leerstehenden Bücherspeicher aus den 1950er Jahren im Südosten. Durch diese Anordnung der Baukörper wird der historische Bibliotheksbau sowie die nördliche Gebäudekante des Universitäts-Hauptgebäudes freigestellt und wieder sichtbar gemacht.
Dabei nehmen die zwei Volumen die Gebäudeflucht des Universitäts-Hauptgebäudes auf und schaffen gleichzeitig einen Zwischenraum zwischen dem historischen Bibliotheksbau aus dem Jahre 1895 und den Erweiterungsbauten – eine architektonische Überlegung, die auch schon beim von Domenig/Eisenköck geplanten Erweiterungsbau aus den 1990er Jahren thematisiert wurde.
Eine Wiederherstellung der aus denkmalpflegerischer Sicht wichtigen Fassadenelemente des historischen Bibliothekbaus (Mittel- und Seitenrisalite) ist möglich.
Die überdeckten Haupteingänge der neuen Baukörper (Bibliothek + Hörsaal), welche sich zur Universitätsstraße hin orientieren, werden durch einen Rücksprung in der Fassade markiert und kommunizieren durch die optische Auskragung mit dem ihnen gegenüberliegenden Haupteingang zum RESOWI Zentrum. Dieser wettergeschützte Vorplatz wird Ante- Raum, ein Treffpunkt, ein gedanklicher Filter, als Vorbereitung für die Bibliothek.
Funktionale Aspekte / Ökonomische, Ökologische Aspekte / Nachhaltigkeit / Konstruktion
Die neuen kompakten Baukörper sind durch ihre stützenfreie Konstruktion flexibel nutzbar. Organisatorisch liegt der neue Haupteingang der Bibliothek an der nordwestlichen Ecke, der Zugang zum Hörsaal mit dazugehörigen Vorbereichen befindet sich im südöstlichen Bauteil. Für alle öffentlichen Nutzungen ist eine spezifische Außenerscheinung gewählt, die einer Identifikation und einer konfliktfreien Orientierung dient.
Im Neubau werden die Ebenen über dem Atrium halböffentlich genutzt. Über jeweils zwei Kerne sind die neuen Baukörper klar gegliedert und intern perfekt erschlossen. Alle Niveaus sind im der zukünftigen Bibliothek eben verbunden. Durch die einfache Geometrie und durchgängige Systematik ist auch eine hohe Flexibilität gegeben.
Die Grundrisse der neuen Objekte sind extrem kompakt.
Das Tragsystem besteht aus einer symmetrisch angeordneten Tragstruktur aus Holz im Verbund mit massiven Betonbauteilen. Holz ist bei entsprechender Herstellungsqualität und materialgerechter Planung sehr wartungsarm und weist daher sehr gute Lebenszykluskosten auf. Der Neubau ist als wirtschaftlicher Skelettbau mit CLT (Holzleimbau) in Verbund mit massiven Betonelementen (Bauteilkühlung) auf einem einheitlichen Achsaster aufgebaut. Die Fundierung ist als Flachgründung (Kerne) konzipiert.
Innenwände sind im Sinne einer langfristigen Flexibilität nichttragend.
Die äußere Hülle des Neubaus sehen wir als objekthafte Schicht. Zweischalig Raumbildend und im Zwischenraum tragend. Ein gleichmäßiger Überzug vereinheitlicht das Gebäude und läßt die Großform wirken. Aus architektonischen und energetischen Gründen schlagen wir eine Doppelfassade mit entspanntem Luftzwischenraum vor. In dieser Ebene befinden sich die Tragstruktur und der außenliegende Sonnenschutz.
Die Umsetzung des Haustechnikkonzeptes erfolgt mit systemoptimierten, erprobten und wartungsarmen haustechnischen Maßnahmen. Der Leitgedanke des Konzeptes ist mit energetischen, ökologischen und wirtschaftlichen Lösungen der technischen Gebäudeausrüstung eine optimierte Gesamtperformance des Objektes zu planen.
Generell sind alle Räume natürlich entlüftet, alle Fenster sind öffenbar. Als zusätzliches System werden mechanische Dauerentlüftungsanlagen mit hochwirksamen Wärmerückgewinnungen vorgesehen.
Der vorliegende Entwurf weist durch seine Gebäudegliederung ein bauphysikalisch gutes Verhältnis von Gebäudehüllfläche zum beheizten Volumen auf. Die energetische Grundkonzeption des Gebäudes leitet sich aus der optimierten energieeffizienten Gebäudehülle, einer gesamtheitlichen, ökologischen und ökonomischen Planung der technischen Gebäudeausrüstung und der Berücksichtigung von thermischer, visueller, olfaktorischer und akustischer Behaglichkeit ab.
In der Regel erfolgt ein sogenannter „Mixed Mode“-Betrieb.
Im Sinne der notwendigen Nachhaltigkeit empfehlen wir bei der Errichtung den bevorzugten Einsatz einheimischer Produkte, die Verwendung von VOC freien und nachwachsenden Rohstoffen, recyclebare, granulierfähige oder kompostierbare Baustoffe und kurze Transportwege.